Figaros Hochzeit 2015
…Ah!! ein glockenklarer, morgenfrischer und durchdringender Kreischer. Susanne tritt auf der nächtlichen Fluchtwanderung durch den Wald „in etwas Weiches“. („Urgs!“, denkt man. Und: „Ui!! Von der ersten Sekunde an in ihrer Rolle!“) Die Dunkelheit der Aula durchbricht ansonsten nur die schummrige Laterne des umsichtigen, gelassenen und jetzt schon irgendwie smarten Figaro.
Seine Arbeitgeber, den feinen Herr Grafen und Frau Gräfin als auch seine geliebte Frau Susanne, hat er fast schon über die Grenze bugsiert, als plötzlich Grenzoffiziere auftreten und die vier zur Rede stellen. Im Licht zeigt sich nun genau, was sich bereits im Dunkel erahnen ließ – wer sie genau sind:
Der Herr Graf Almaviva, gespielt von David Smyczek, ist einfach ein totaler Schnösel. Bricht sofort in Echauffement aus darüber, wie unstandesgemäß man ihn behandle. An keiner Stelle fällt Smyczek aus der Rolle, lieber in den Lehnstuhl zum Sonnenbad. Seine Frau Gräfin, gespielt von Pia Molitor/Isabl Riedel, erweist sich ebenfalls als eine wirklich feine Dame – kippt erstmal um angesichts der turbulenten Situation. Susanne, gespielt von Esra Krämer/Sarah Mazanec, ist eine junge Frau: frisch, unbedarft, liebenswert und voller Verehrung für ihren Figaro, – der diese Rosenblüte auch noch zu verdienen scheint! Die eine Hand in der Tasche der Anzughose, mit hochgekrempelten Hemdsärmeln – zurückgelehnt, obwohl stehend – erklärt er allen mal wieder die Lage: Kein Grund zur Panik! Das sind keine dahergelaufenen Streuner, sondern adlige Herrschaften, die aufgrund der politischen Lage gezwungen waren, ihr Land zu verlassen. Es wird sich alles finden.
Man nehme einen Christian Scheidtweiler/Jan Hoffmann und stecke ihn in ein Figaro-Outfit – funktioniert wie von selbst! Klasse!
Die Grenzsoldaten (Mika Ringleb, Philipp Schlüter, Tim Klein, Lukas Beck und lars Hammesfahrt) sind eindeutig die Hallodris in dieser Konstellation. Und obwohl sie nur kurz im Stück auftreten, sind auch sie als Figuren schnell zu erfassen, da ebenfalls einfach gut gespielt. Lukas Beck, der in der Rolle des Ober-Grenzsoldaten-Hallodri seinem Ober-Ober-Grenzoffizier (Steffi Kempen/Melissa Hartkopf) , Bericht erstattet und dabei irgendwie nicht richtig zählen kann, (wie übrigens King Loui im Dschungelbuch) überzeugt in wenigen Minuten durch ein unvergleichliches Minenspiel. Man will sich einfach nur wegschmeißen. Und dieses Phänomen erlebt man immer wieder im Stück: viele kleine Rollen werden von ihrer Schauspielern einfach richtig verstanden und völlig selbstverständlich verkörpert: z.B. der ungestüme Forstinspektor, gespielt von Louis Gemke – ein Macho-Affe, der in dreistester Weise nach Susanne grapscht wie nach einem Leckerbisssen, oder Dana Staus als die alte Antonia – kommentiert das Geschehen im „Früher war alles besser- Modus“. Die hat ja auch irgendwie recht, denkt man! Auch einfach nur herzerfrischend amüsant: Annika Dittmer als Hebamme im Wahrsagerinnen-Outfit – sie versucht Susanne durch ein paar rhetorische Tricks zu dem Kind zu verhelfen, das Figaro nicht in diese unstete Welt setzen will. Da deutet sich schon an, dass in der Ehe dieser beiden – vom Pastor und Oberlehrer (Michael Kiekenap) eigentätig am Drehplatz Dorper Kirche zu ewiger Harmonie zusammengefügt – nicht alles rundläuft und sich die Perspektiven auf das Leben inzwischen grundlegend unterscheiden. Figaro wird zeitweilig zum Opfer seiner Besser-Wisser-Position und dadurch auf der Beziehungsebene blind und taub. Will nichts mehr wagen, und will nicht hören, was jemand anderes vielleicht auch zum Leben braucht. Erst das Ende des Stückes bringt die Wendung mit sich: Da zieht es ihn aus dem Exil zurück in die alte Heimat – zu seiner Susanne nämlich. – Also strenggenommen schreibt er ihr einen Brief und sie kommt dann zu ihm zurück. Aber für mich hatte Horvaths Story angesichts der pointierten schauspielerischen Leistung eher eine Nebenrolle. Wenn man die SchülerInnen kennt und dann sieht, dass sie sich auf der Bühne urplötzlich in jemand ganz anderen verwandeln, dann hinterlässt das doch den bleibenden Eindruck. Nice 🙂
Lara Schallenberg