EU-Projekttag für die Schulen – MdB Jürgen Hardt wieder zum Gespräch in der ADS
Vom „Bundes-Cannabis-Minister“ und fliegenden Berufsschülern
Jürgen Hardt, Bundestagsabgeordneter für die CDU, hat am 2.5.2023 erneut die ADS besucht, um mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe über europäische Politik zu sprechen.
Zunächst verdeutlichte er den Schülerinnen und Schülern die Stärken der EU, indem er z.B. auf die Wirtschaftskraft verwies und auf das Interesse der Beitrittskandidaten, zügig Mitglied zu werden. Eine Schwäche ist seiner Meinung immer noch das Problem, dass die Mitgliedsstaaten bzw. Vertreter der EU nicht immer mit einer Stimme sprechen; dies verdeutlichte er am Beispiel der China-Reise von Kommissionspräsidentin v. d. Leyen und Frankreichs Präsident Macron, nach der es unterschiedliche Stellungnahmen der beiden Politiker gab.
Auf die Nachfrage eines Schülers, wie Hardt zum immer wieder umstrittenen Agieren der Grenzschutzagentur Frontex stehe, betonte Herr Hardt zunächst die Notwendigkeit einer solchen Organisation, gestand aber zu, dass problematische Aktionen wie illegale Pushbacks vorkämen und forderte Verbesserungsbedarf, um den sich die europäische Ebene kümmern müsse. Im Anschluss lenkte er die Aufmerksamkeit auf die Herausforderungen für die Innenpolitik und konkret auf die Klagen der Kommunen, die sich derzeit angesichts der Flüchtlingszahlen häufig überfordert sähen und eine zu geringe finanzielle Beteiligung des Bundes beklagten.
Im Verlaufe des Gespräches betonte Herr Hardt, dass es für die deutsche Regierung generell wichtig sei, darauf zu achten, dass EU-Richtlinien nicht zum Nachteil für Deutschland wirkten und verdeutlichte dies unter anderem am Beispiel von Umweltschutzregelungen- ganz konkret am Beispiel eines Galvanik-Betriebes aus Remscheid. Deutsche Betriebe seien in der Regel flexibel und könnten sich auf hohem Niveau auf verschärfte Regelungen einstellen, bräuchten aber genügend Zeit für die Umstellung. Er forderte, dass die EU die Regelungen nicht zu schnell umsetzt, damit es nicht zu einer Verlagerung von Betrieben ins Ausland (genannt wurde als Beispiel Indien) komme, wo die Umweltstandards niedriger seien- damit sei niemandem gedient.
Auf Nachfrage eines Schülers verdeutlichte Herr Hardt, dass er die Übertragung von Souveränität auf die supranationale Ebene der EU begrüße, da nationale Entscheidungen in vielen Fällen nicht mehr weiterhelfen könnten.
Die Fragen der Schülerinnen und Schüler wandten sich dann einem nationalen Thema aus dem Unterricht zu- der Problematik der Altersrente/Rentenversicherung. Herr Hardt zeigte sich als deutlicher Verfechter des bestehenden Umlageverfahrens und verwies darauf, dass nicht nur die geburtenstarken Jahrgänge, die durch Rentenbezug die Rentenkassen deutlich belasten, sondern auch der Fachkräftemangel ein Problem sei. Für die Schüler verdeutlichte er dies anschaulich durch Verweis auf fehlenden Nachwuchs bei den bereits erwähnten Galvanik-Betrieben, so dass die Hamburger Auszubildenden der Lufthansa-Galvanik für den Berufsschul-Besuch nach Solingen einfliegen würden (Inlandsflüge ☹), weil sich der Betrieb einer Klasse in Hamburg nicht lohne.
Nach der Aktienrente nach schwedischem Vorbild gefragt, machte Herr Hardt deutlich, dass er diese für wenig zielführend hält. Über seine Ausführungen dazu haben wir im anschließenden Unterricht noch länger diskutiert, da wir den Eindruck hatten, dass das Konzept doch anders gemeint ist, als es dargestellt wurde.
Interessiert fragten die Schülerinnen und Schüler auch nach der Haltung von Herrn Hardt zur Legalisierung von Cannabis. Herr Hardt machte sehr deutlich, dass er die Haltung der Ampel-Koalition zu Legalisierung nicht teilt und formulierte sogar die Vermutung, dass selbst bei den Grünen nicht mehr jeder Abgeordnete wirklich überzeugt von der Freigabe sei; nur die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages binde alle nun an das Projekt. Irritiert zeigt er sich über die Haltung des Gesundheitsministers Lauterbach (SPD), da er von einem Gesundheitsminister nicht die Freigabe einer potenziell schädlichen Substanz erwarte. Provokant nannte Herr Hardt ihn „Bundes-Cannabis-Minister“.
Weitere Themen im Gespräch waren noch die unterschiedlichen Herangehensweisen der EU und der USA im Bereich der Wirtschaftspolitik/Klimapolitik. Er unterschied den Weg der „Verbote und Gebote“ (Beispiel EU-Green-Deal) von dem der Subventionen (Beispiel USA „Inflation Reduction Act), verwies auf das gemeinsame Ziel (Reduktion CO2-Emissionen) und bedauerte, dass hier nicht mehr Kooperation stattgefunden habe.
Bezüglich der Energieträger der Zukunft vertrat Herr Hardt unter anderem die Ansicht, dass sich im Bereich der Fahrzeuge die E-Fuels langfristig durchsetzen würden, im Bereich der Industrie aber der Wasserstoff.
Bei unserem letzten Thema, der Wahlrechtsreform, zeigte sich Herr Hardt als vehementer Gegner der Reform und prognostizierte, dass das Bundesverfassungsgericht die Regelung kippen werde. Provokant verwies er als Oppositionspolitiker darauf, dass ein übergroßer Bundestag von derzeit 736 Sitzen (statt regulär 598) weniger ein Problem darstelle als die 168 neuen Stellen, die die derzeitige Regierung neu geschaffen habe (unbefristete Stellen, Pensionsansprüche usw.). Herr Hardt machte neben anderen Aspekten deutlich, dass es für die Bürger am schlimmsten sei, wenn direkt gewählte Abgeordnete aus dem Wahlkreis keinen Sitz im Parlament bekämen, weil sie über den Kontakt zum Abgeordneten den direkten Kontakt in die Politik hätten- dies kann nach der Wahlrechtsreform passieren.
In der Nachbesprechung im Unterricht zeigten sich die Schüler erfreut über die Anschaulichkeit, mit der Herr Hardt viele Aspekte dargestellt hatte. Sie empfanden seine Erklärungen als angemessen und nicht „abgehoben“. Dennoch wurden einige inhaltliche Aspekte auch kritisch beleuchtet in dem Bewusstsein, dass hier ein Politiker der Opposition gesprochen hatte.
Der Besuch war wie immer anregend und wichtig, weil die Schülerinnen und Schüler einen Politiker live erleben konnten.
Christa Boekhorst